Vielen Auszubildenden kommt er gar nicht erst in den Sinn: der Auslandsaufenthalt. Und das, obwohl dies schon seit 2005 möglich und gesetzlich geregelt ist. Den Meisten ist das ebenso wenig bekannt wie die verschiedenen Förderprogramme zur finanziellen Unterstützung. Während es unter Studierenden gang und gäbe ist, einige Zeit im Ausland zu verbringen, nutzen nur sehr wenige Azubis diese Möglichkeit. Dabei stellt ein Praktikum in einem anderen Land eine große Bereicherung dar – für die berufliche und persönliche Weiterentwicklung.
Tolle Chance während der Ausbildung
Bis zu einem Viertel der gesamten Ausbildungszeit können Lehrlinge im Ausland verbringen. Es muss natürlich nicht gleich ein so langer Zeitraum sein. Schließlich traut sich das nicht jeder in diesem Alter zu. Auch ein Auslandsaufenthalt von wenigen Wochen lohnt sich. Ob nun drei Wochen oder vier Monate, die Auslandszeit gehört dabei zur Ausbildung. Diese verlängert sich also nicht und wird zudem ganz normal weiter vergütet. Bedingung ist, dass der Betrieb einverstanden ist und der Auslandsaufenthalt zum Ziel der Ausbildung beiträgt. Im Ausland lernt man die wichtigsten Ausbildungsinhalte und erwirbt darüber hinaus viele zusätzliche Fähigkeiten. Bewerber mit Auslandserfahrung haben auf dem Arbeitsmarkt besonders gute Aussichten.
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Wertvolle Erfahrungen sammeln
Einen Teil der Ausbildung woanders zu absolvieren, bringt diverse Vorteile mit sich. Es fördert die Eigenständigkeit und das Selbstbewusstsein. Fremdsprachenkenntnisse sind ein weiterer Aspekt. Spannend sind auch die Einblicke in die ausländische Arbeitswelt. Wie wird dort gearbeitet? Läuft alles ähnlich ab wie in der Heimat oder ganz anders? Auszubildende erhalten die Gelegenheit, eine andere Seite ihres Unternehmens oder Berufs zu erleben. Was sich praktisch nur im Ausland erlernen lässt, ist die interkulturelle Kompetenz. Dahinter verbirgt sich die Fähigkeit, im Ausland oder mit Menschen aus anderen Ländern gut zurechtzukommen. Wer während der Ausbildung in ein fremdes Land geht, übt den Umgang mit einer anderen Kultur schon zu Beginn seiner Berufslaufbahn. Zahlreiche Firmen suchen Mitarbeiter mit ebendiesen Fähigkeiten, etwa weil sie Kunden oder Zweigstellen im Ausland haben. Ein Auslandsaufenthalt ist aber nicht nur förderlich für die Karriere, sondern auch einfach eine interessante Erfahrung mit vielen neuen Eindrücken. Die Mehrzahl der Azubis kehrt jedenfalls begeistert zurück.
Vorbereitungen für den Auslandsaufenthalt
Für einen reibungslosen Ablauf empfiehlt es sich, frühzeitig zu planen. Der Zeitpunkt der Reise sollte mit Bedacht gewählt werden. Viele Azubis gehen nach der Zwischenprüfung ins Ausland. Die Vorteile liegen auf der Hand: Ein Teil der Ausbildungszeit ist dann abgeschlossen und Aus- und Wiedereinstieg gelingen daher mühelos. Frühzeitiges Planen ist in jedem Fall eine gute Idee. Umso stressfreier gestaltet sich die Vorbereitungszeit. Es gibt einiges zu organisieren. Da wäre die Suche nach einem geeigneten Praktikumbetrieb und einer Unterkunft. Manche Länder verlangen ein Visum zur Einreise und in einigen Teilen der Welt sind Impfungen notwendig. Auch an nötige Dokumente und Versicherungen muss man denken. Anträge zur finanziellen Unterstützung wollen rechtzeitig gestellt werden. Das klingt alles komplizierter als es ist. Beratungsstellen (siehe unten) helfen bei der Organisation. Wichtig ist nur, nicht erst kurz vor knapp mit der Planung zu beginnen. Für einen Aufenthalt in Europa, der vielleicht sogar vom Ausbildungsbetrieb in die Wege geleitet wird, reichen ein paar Monate Vorlaufzeit. Wenn es in ein weit entferntes Land gehen soll, braucht es etwa ein Jahr.
Zuallererst sollten sich interessierte Lehrlinge an ihren Ausbildungsleiter wenden. Vielleicht kann dieser bereits mit Informationen dienen oder sich über die Möglichkeiten erkundigen. Viele größere Firmen schicken regelmäßig Auszubildende ins Ausland. In kleineren Unternehmen besteht die Möglichkeit aber genauso. Hier lohnt es sich, einfach nachzufragen und im Zweifel den Ausbildungsleiter zu überzeugen, dass auch der Betrieb von der Auslandserfahrung profitieren wird. Damit das gelingt, sollte man sich einige Argumente zurechtlegen. Welche Fähigkeiten und Kenntnisse können bei einem Auslandsaufenthalt erworben werden? Wie dienen diese Erfahrungen dem Betrieb? Hilfreich kann es auch sein, das Erlernte nach der Rückkehr in der Firma vorzustellen. Wer selbst von dem Nutzen einer Auslandszeit überzeugt ist, kann dies meist auch entsprechend vermitteln. Und ein paar Wochen im Ausland lehnt kaum ein Ausbildungsbetrieb ab.
Im zweiten Schritt wendet man sich an Einrichtungen, die bei dem Vorhaben behilflich sein können. Dazu gehören die Industrie- und Handelskammern, kurz IHK, mit ihrem Netzwerk namens Berufsbildung ohne Grenzen. Weitere sind Eurodesk oder die IBS – die Informations- und Beratungsstelle für Auslandsaufenthalte in der beruflichen Bildung. Dort gibt es Antworten auf die wichtigsten Fragen sowie konkrete Hilfestellung. Nicht zuletzt muss ein Auslandsaufenthalt auch mit der Berufsschule abgesprochen werden. Das stellt aber kein Problem dar. Versäumte Inhalte holen Schüler einfach im Anschluss nach.
Welches Ziel ist das richtige?
Vielleicht ergibt sich das Zielland des Aufenthaltes schon innerhalb des Unternehmens, etwa weil es Filialen oder Partner im Ausland gibt. Ansonsten sollten Azubis sich genau überlegen, wo sie hingehen möchten und warum. Gibt es besondere berufliche Gründe, die für ein bestimmtes Land sprechen? Wie sieht es mit den Sprachkenntnissen aus? Die sind nämlich häufig Voraussetzung, wobei das Schulenglisch in vielen Ländern ausreicht. In Österreich oder der Schweiz kommt man zudem auch ohne Fremdsprache aus. Außerdem kommt es zum einen darauf an, was man sich von der Auslandszeit erhofft. Zum anderen, stellt sich die Frage, was im jeweiligen Ausbildungsfeld möglich und sinnvoll ist. Diesbezüglich sollten sich Auszubildende darüber informieren, welche Programme existieren und worin die Teilnahmebedingungen bestehen.
Besonders innerhalb Europas sind die Angebote zahlreich und vielfältig. Ob eine Backstube Frankreich, ein landwirtschaftlicher Betrieb in Irland, eine Bibliothek in Österreich oder eine Marketingagentur in Finnland – für so ziemlich jeden Berufszweig besteht die Möglichkeit, einen Teil der Ausbildung im Ausland zu absolvieren. Alternativ kann man die Zeit auch auf einem anderen Kontinent verbringen. Das ermöglicht zum Beispiel die Joachim-Herz-Stiftung mit ihrem Programm „Azubis in die USA“.
Informationen zu verschiedenen Programmen und Organisationen gibt es auf der Website der Informations- und Beratungsstelle für Auslandsaufenthalte in der beruflichen Bildung (IBS):
Und wer soll das bezahlen?
Bleibt die Frage, wie die Auslandszeit finanziert wird. Die größten Kosten entstehen durch An- und Abreise und die Unterkunft vor Ort. Hinzu kommen Versicherungen und eventuell auch ein Sprachkurs. Förderprogramme können einen Teil der Kosten übernehmen. Das wichtigste heißt Erasmus+, zu dem auch das EU-Programm Leonardo da Vinci gehört. Den Antrag hierfür stellen Azubis nicht selbst bei der EU – er läuft über eine Institution und wird in der Regel von den Ausbildern gestellt. Das Leonardo-Programm ermöglicht Aufenthalte in allen EU-Ländern sowie Norwegen, Liechtenstein, Island, Türkei, Bulgarien und Rumänien. Die Länderauswahl ist also groß. Auch für Praktika in Nicht-EU-Ländern gibt es einzelne Projekte mit finanzieller Unterstützung. Es lohnt sich daher, sich im Vorfeld ausgiebig über die Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren.
In welcher Form, wie lange und in welchem Land der Auslandsaufenthalt auch stattfinden soll – er ist eine sinnvolle Ergänzung der Berufsausbildung und ein unvergessliches Erlebnis. Und wer weiß, vielleicht entsteht dabei ja sogar der Wunsch, ein weiteres Mal ins Ausland zu gehen.